Devianz und Häresie – Abweichung im Judentum

Ringvorlesung der Sigi Feigel-Gastprofessur für Jüdische Studien
«Zwei Juden, drei Meinungen»: Der jüdischen Kultur wird eine aussergewöhnliche Debattenfreudigkeit, die Wertschätzung von Kontroversen in allen Fragen der Le-bensgestaltung einschliesslich der Religion und eine ausgeprägte Diversität hin-sichtlich der Bestimmung dessen, was «Jüdischsein» bedeutet, nachgesagt. Juden-tum gibt es nur in Varianten, und es scheint relativ mühelos ohne Kirche und Lehramt, Dogmatik und Sittenwächter auszukommen. Gleichwohl gibt es von Eli-sha Ben Abuya bis Shabbtai Zvi und Spinoza in der Vormoderne den Typus des jüdischen Häretikers; und gleichwohl spricht man seit dem 19. Jahrhundert von einer jüdischen Orthodoxie, die sich damals als «rechtgläubige» Gegenbewegung zur jüdischen Moderne des sog. Reformjudentums ausbildete.
Wie also sind – und von wem – in der Geschichte des Judentums die Grenzen zwi-schen dem «eigentlich Jüdischen», dem «gerade noch Jüdischen» und dem «nicht mehr Jüdischen» gezogen worden? Und wie wurden solche Abweichungen im Randbereich des Jüdischen in unterschiedlichen Kontexten verhandelt?
Die Ringvorlesung 2021 will diesen Fragen anhand von ausgewählten Beispielen aus Geschichte und Gegenwart des Judentums nachgehen.