Prof. Dr. Vinzenz Ziswiler, Emeritierter Professor für Vergleichende Anatomie und Systematik der Wirbeltiere
Verstorben am 5. Juli 2025 im Alter von 90 Jahren.
Vizenz Ziswiler erforschte die Taxonomie, Phylogenese, und Biogeographie der Vögel und war einer der ersten, der die Biodiversitätskrise erkannte. Er war ein begabter und vielseitiger akademischer Lehrer und engagierte sich für den Natur- und Artenschutz.
Vinzenz Ziswiler wuchs in einer Luzerner Hotelierfamilie auf und studierte - nach der Matura und dem Lehrdiplom für Orgel und Cembalo - Tiermedizin und später Zoologie an der Universität Zürich, wo er 1962 bei Prof. Hans Steiner mit einer ornithologischen Arbeit über Afterfedern promovierte. Ab 1961 war er Konservator und Oberassistent am Zoologischen Museum, 1967 reichte er seine Habilitation ein, 1969 wurde er zum Assistenzprofessor befördert und 1972 auf ein Extraordinariat für Vergleichende Anatomie und Systematik der Wirbeltiere berufen, das 1981 in ein Ordinariat umgewandelt wurde. Nach vielen Jahren als stellvertretender Direktor des Zoologischen Museums, leitete er von 1985 bis 2002 als Direktor sowohl eine grosse Gruppe von Forschenden unterschiedlicher Stufen als auch den lebhaften Ausstellungsbetrieb. Von 1984 bis 1987 war er Präsident der Forschungskommission der UZH. An der Mathematisch-naturwissenschaftlichen Fakultät wirkte er von 1998 bis 2000 als Dekan und von 2000 bis 2002 als Prodekan.
Vinzenz Ziswilers Forschung betraf die Taxonomie, Phylogenese, und Biogeographie der Vögel, aber später auch anderer Gruppen. Dafür machte er mehrere Forschungsreisen in die Tropen und hatte mehrere Forschungsaufenthalte in den USA (u.a. bei Prof. Ernst Mayr an der Harvard Universität), wo er langfristige wissenschaftliche Verbindungen knüpfte. In seiner phylogenetischen Forschung hat er als einer der ersten vergleichende Methoden ausserhalb der Anatomie eingesetzt, und damit den von Darwin entwickelte, aber in Vergessenheit geratenen vergleichenden Ansatz zur Überprüfung von Hypothesen über ökologische Adaptionen und solche des Verhaltens wiederbelebt. Schon dabei zeigte sich sein Blick über die engen Fachgrenzen hinweg und sein reges Interesse für wissenschaftshistorische Fragen. Viel Beachtung fand seine vergleichende Studie von 1972 (mit Donald Farner) über die Anatomie und Physiologie des Verdauungstraktes der Vögel. Aufgrund seiner Kenntnisse der Biogeographie und Phylogenese, und gezielten Studien zur Biologie des Aussterbens, hat er als einer der ersten die Biodiversitätskrise erkannt und publizistisch in die Allgemeinheit getragen. Mit seinem Buch (1965) «Bedrohte und ausgerottete Tiere» wurde er einem breiten Publikum im In- und Ausland bekannt. Überdies hat er sich von Anfang an mit viel Engagement für Natur- und Artenschutz eingesetzt, auch ehrenamtlich in mehreren Stiftungen, was auf breite Zustimmung stiess. So wurde er zum Ehrenpräsidenten der Stiftung zum Schutze der Fledermäuse in der Schweiz gewählt.
«Zis» - wie er von Studierenden und Mitarbeitenden genannt wurde - war ein begabter, lebhafter und vielseitiger Dozent. Sein Lehrbuch «Spezielle Zoologie (Wirbeltiere, I und II)» war lange Jahre an mehreren Universitäten Pflichtlektüre. Er hat dutzende Doktorierende ausgebildet. Kunstbefliessen und kulturhistorisch interessiert half er mit, Wissenschaftsgeschichte an der Fakultät zu verankern und förderte auch junge Wissenschaftshistorikerinnen und Wissenschaftshistoriker.
Vinzenz Ziswiler hat dem Zoologische Museum der UZH mit viel Herzblut gedient, wo er sowohl die Neugestaltung der Dauerausstellung geleitet hat als auch an zahlreichen Sonderausstellungen beteiligt war. Beispielsweise wurde die Ausstellung «Pferde in der Steppe und im Stall» in den 1990er-Jahren schweizweit mit grossem Erfolg gezeigt. Obwohl er 2002 emeritiert wurde, hat er von 2001 bis 2004 noch das Anthropologische Institut und Museum interimistisch geführt. Carel van Schaik